Klinik für Pferde
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Vitrotrektomie3Information über die equine rezidivierende Uveitis und deren Behandlung
(innere Augenentzündung, periodische Augenentzündung, Mondblindheit)

Stand: Januar 2020


Ursache:

Die wiederkehrende (rezidivierende) Uveitis beim Pferd wird in über 95 % durch eine Leptospireninfektion im Auge ausgelöst. Die Leptospiren sind Bakterien, die in erster Linie von Mäusen und Ratten übertragen werden, die sie mit dem Harn ausscheiden. Auf der Koppel oder im Stall können sich die Pferde mit diesen Bakterien infizieren, die über Schleimhäute und kleinere Verletzungen in den Blutkreislauf gelangen können. Leptospiren können insbesondere in feuchtem Boden oder stehenden Gewässern lange überleben. Nahezu jedes Pferd kommt irgendwann mit Leptospiren in Kontakt. Wenige haben das Pech, dass die Erreger nicht nur in den Blutkreislauf, sondern auch in ein oder beide Augen gelangen. Da Leptospiren keine sehr aggressiven Keime sind, können sie Monate bis Jahre im Auge überleben, bevor sie zu den Augenentzündungen führen.

Durch die Entzündungen im Auge werden die Strukturen des inneren Auges nach und nach zunehmend geschädigt und fast alle Augen erblinden im weiteren Verlauf der Krankheit. Es gibt dabei unterschiedliche Verläufe dieser Augenentzündungen.

Manche Pferde erleiden Entzündungen, die sich vor allem im vorderen Augenabschnitt abspielen. Diese sind sehr schmerzhaft und fallen dem Besitzer dadurch frühzeitig auf. Aus diesem Grund werden die Patienten bei akuten Entzündungen meist rechtzeitig und intensiv behandelt. Die Entzündungen können im Abstand von Tagen, Monaten oder Jahren auftreten. In der Regel werden die Entzündungsschübe immer heftiger und die Abstände zwischen den Entzündungen im Laufe der Zeit kürzer.

Andere Pferde erkranken an einer Entzündung, die mehr im hinteren Augenabschnitt abläuft und kaum schmerzhaft ist. Bei diesen Pferden kann die Entzündung unbemerkt und schleichend fortschreiten. Oft wird sie nur zufällig bei Kaufuntersuchungen oder erst bei Erblindung der Pferde bemerkt.

Nach mehreren Entzündungsschüben, bei manchen Pferden auch von Anfang an, kann das ganze Auge an der Entzündung beteiligt sein.

Durch die Entzündungen kann es zu Verklebungen der Regenbogenhaut mit der Linse kommen. Durch diese Verklebungen und durch Entzündungsprodukte im Glaskörperraum, die sich auf den hinteren Anteilen der Linsenkapsel auflagern, können Linsentrübungen entstehen. Die Linse ist nicht durchblutet und wird durch die umgebende Flüssigkeit ernährt. Wenn die Linsenkapsel so stark geschädigt ist, dass die Ernährung nicht mehr gewährleistet wird, entstehen Linsentrübungen (Katarakt, grauer Star). Im Glaskörperraum entstehen durch die Entzündungen Trübungen und es können dicke, membranartige Einlagerungen gebildet werden, die die Sicht erheblich beeinträchtigen. Die Netzhaut liegt normalerweise am Augenhintergrund an. Dort werden die Lichtsignale empfangen und über den Sehnerven weitergeleitet an das Gehirn. Durch die Entzündungen kann die Verbindung von der Netzhaut zum Augenhintergrund gelockert werden und es kann zu Netzhautablösungen kommen (vergleichbar mit einer feuchten Tapete, die von der Wand kommt). Wenn flächige Netzhautablösungen entstehen, bedeutet dies meist die irreversible Erblindung der Pferde. Selten kann sich ein erhöhter Augeninnendruck (Glaukom) entwickeln.

 

Anatomie des Auges:

anatomie de auges

 

 

 

 

 

1. Hornhaut (Kornea)
2. weiße Augenhaut (Lederhaut, Sklera)
3. vordere Augenkammer, mit wässriger Flüssigkeit gefüllt
4. Regenbogenhaut (Iris)
5. Pupille
6. Linse, 6a Linsenvorderfläche, 6b Linsenrückfläche
7. Glaskörper (zähe, „wackelpeterartige“ Substanz, elektronenmikroskopisch Gitternetz)
8. Augenhintergrund mit Netzhaut
9. Sehnerv in Richtung Gehirn

 

 

Behandlung:

Bei akuten Augenentzündungen ist die Behandlung immer dieselbe, vorausgesetzt, es liegt kein Hornhautdefekt vor: Atropin-Augensalbe zur Weitstellung der Pupille, bei Bedarf mehrmals täglich; Dexamethason enthaltende Augensalben mehrmals täglich; zusätzlich ein entzündungs- und schmerzhemmendes Präparat über die Maulhöhle (z.B. Phenylbutazon 2 x tägl.).

Trotz intensiver und konsequenter medikamentöser Behandlung treten meistens Rezidive (erneute Entzündungen) auf. Die einzige Möglichkeit, weitere Entzündungen und damit die fortschreitende Zerstörung des Auges zu stoppen, besteht in einer Glaskörperoperation (Vitrektomie). Dabei wird der Glaskörper klein geschnitten und abgesaugt. Gleichzeitig werden die Entzündungsprodukte und Trübungen aus dem Glaskörper entfernt, wodurch die Sehfähigkeit in vielen Fällen nach der Operation gebessert ist. Durch die mit der Spülung verbundene Entfernung der Bakterien ist die Augenentzündung nach der Operation mit einer über 95 % igen Wahrscheinlichkeit endgültig beseitigt.

Operation:

Die Pferde sind normalerweise ca. 3 Tage vor der Operation zur vorbereitenden Behandlung in der Klinik. Nach der Operation bleiben sie noch ca. 4-5 Tage zur Nachbehandlung und Kontrolle stationär. Zurzeit werden pro Jahr etwa 100 Vitrektomien in der Klinik für Pferde der Universität München durchgeführt.

Die Glaskörperoperation kann nur in Vollnarkose erfolgen. Wenn beide Augen betroffen sind, sollten etwa 5 Tage zwischen den Operationen beider Augen liegen. Es können nicht beide Augen in einer Narkose operiert werden, da das zuerst operierte Auge sonst bei Operation des zweiten Auges unter dem schweren Pferdekopf liegen würde. Bei der Operation wird der Augapfel nach unten rotiert, damit der Zugang zum Glaskörperraum über die weiße Augenhaut (im Bereich der „Pars plana“) möglich wird. Nach Eröffnung der Bindehaut über der Lederhaut werden mit einem Laser zwei Öffnungen in die Sklera geschossen. Über die erste Öffnung wird eine Infusionsleitung in das Auge gelegt, damit der Druck im Auge während der Operation konstant bleibt. Über die zweite Öffnung wird das Operationsinstrument in das Auge eingeführt, das den Glaskörper mit den Entzündungsprodukten und den Bakterien klein schneidet und absaugt. Nach der Operation werden die Öffnungen in der Lederhaut und in der Bindehaut mit einem dünnen, sich selbst auflösenden Faden verschlossen. Normalerweise sind die operierten Augen unmittelbar nach der Operation schmerzfrei und die Lidspalten normal geöffnet.

Nach der Operation wird die infundierte Flüssigkeit innerhalb kurzer Zeit vom Auge durch Kammerwasser ersetzt. Das Glaskörpergerüst bildet sich nicht neu. Der Glaskörper ist nur für die Embryonalentwicklung erforderlich, bei ausgewachsenen Individuen erfüllt er keine Aufgabe mehr. Mit dem Glaskörpergerüst wird das „Versteck“ der Bakterien entfernt und nach der Operation besteht im mit Kammerwasser gefüllten Glaskörperraum eine bessere Flüssigkeitszirkulation, d.h., die Bakterien können sich dort nicht erneut ansiedeln. Für die Optik und die Sehfähigkeit spielt es keine Rolle, ob sich Glaskörpermaterial oder Kammerwasser im Glaskörperraum befindet.

 

Nachbehandlung:

Nach der Entlassung am 4.-5. Tag nach der Operation sollten die Pferde 5 Tage nur kontrolliert im Schritt bewegt werden. Danach ist wieder Freilauf und aufbauendes Training möglich. Die Nachbehandlung besteht in der Regel darin, dass die Pferde noch über eine Woche 2 x täglich eine Augensalbe erhalten. Danach ist normalerweise keine weitere Behandlung erforderlich.

Geeignete Augen:

Grundsätzlich ist es so, dass die Sehfähigkeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bei den Augen zu erhalten ist, die noch keine Schädigung von Linse und Netzhaut erlitten haben

(keine oder nur geringgradige Verklebungen zwischen Regenbogenhaut und Linse; keine oder nur geringgradige Entzündungsprodukte, die an der Linsenrückfläche anhaften; keine Netzhautablösung erkennbar). Wenn die Linse schon stärker in Mitleidenschaft gezogen ist, kann eine beginnende Linsentrübung fortschreiten, auch wenn keine Entzündungen mehr auftreten. Wenn schon beginnende (flächige) Netzhautabhebungen erkennbar sind, besteht ein erhöhtes Risiko für ein Fortschreiten der Netzhautablösung. Eine Fixierung der Netzhaut beim Pferd mittels Laser ist zurzeit noch nicht effektiv möglich. Bei einer Linsentrübung ist später gegebenenfalls nur noch ein Hell-Dunkel-Sehen, aber kein gegenständliches Sehen mehr möglich. Eine flächige Netzhautablösung bedeutet die irreversible Erblindung der Tiere. In stärker geschädigten Augen kann somit die Sehfähigkeit nicht immer erhalten werden, jedoch können weitere schmerzhafte Augenentzündungen trotzdem effektiv verhindert werden.

Je weniger die Augen geschädigt sind, desto besser ist die Prognose für die Erhaltung der Sehfähigkeit. Jedoch sollte sichergestellt sein, dass die Augen an einer Uveitis erkrankt sind, da die Operation z.B. auf schmerzhafte und immer wiederkehrende Hornhautentzündungen keinen Einfluss hat. Außerdem kann es in Einzelfällen sein, dass nach einer Uveitis Ruhe einkehrt und keine weiteren Entzündungen auftreten. Aus diesen Gründen und weil jede Narkose und jede Operation mit Risiken verbunden ist, sollte der Operationszeitpunkt sorgfältig gewählt werden.

Nur im Zweifelsfall (!!!) (Unsicherheit, ob die schmerzhaften Augenentzündungen auf einer Uveitis oder z.B. einer Hornhautentzündung beruhen) kann in einer Kurznarkose etwas Flüssigkeit aus der vorderen Augenkammer entnommen und auf einen Antikörpertiter gegen Leptospiren untersucht werden. Wenn kein Antikörpertiter vorhanden ist und keine Leptospiren-Bausteine nachweisbar sind, liegt mit etwa 95 % iger Wahrscheinlichkeit keine für die Operation geeignete Uveitis vor. Wenn Antikörper gegen Leptospiren (mittels MAR oder ELISA) oder Leptospirenbausteine (mittels PCR) nachweisbar sind, besteht eine Indikation für die Vitrektomie.

Selten kann es sein, dass Pferde infolge der Uveitis dazu neigen, einen erhöhten Augeninnendruck (Glaukom) zu entwickeln (Verlegung der die Augenflüssigkeit

abführenden Kanäle mit Entzündungsprodukten oder Druck auf die abführenden Kanäle durch eine getrübte und verlagerte Linse). Bei diesen Pferden ist der Krankheitsverlauf schlechter zu beeinflussen, als bei den Tieren, deren Augen eher kleiner werden und die dazu neigen, einen erniedrigten Augeninnendruck zu entwickeln. An Glaukom erkrankte Pferde

haben daher eine schlechtere Prognose und im Falle einer Operation sollte zusätzlich zur Glaskörperoperation eine Laserbehandlung des Flüssigkeit produzierenden Gewebes im Auge (Laserzyklokoagulation) durchgeführt werden.

 

Bekannte Komplikationen:

Bei Pferden, die lange mit cortisonhaltigen Augensalben behandelt werden mussten, und bei Pferden, die dazu neigen, die Augen zu reiben, können Hornhautdefekte den Verlauf verkomplizieren und den erforderlichen Klinikaufenthalt verlängern, da die Hornhaut für die Operation intakt sein muss.

Wie auf Turnieren und anderen Veranstaltungen, auf denen viele fremde Pferde zusammenkommen, besteht in Kliniken insbesondere für nicht geimpfte Pferde ein erhöhtes Risiko für (Virus-) Infektionen (z.B. Influenza).

Wie bei jeder anderen Narkose besteht auch bei dieser Operation ein Risiko. Es kann beim Niederlegen sowie beim Aufstehen der Tiere zu Verletzungen kommen, im ungünstigsten Fall auch zu Beinbrüchen oder anderen Knochenbrüchen, z.B. am Kopf oder Hals. Während der Narkose können Zwischenfälle auftreten (z.B. Atem- oder Herzstillstand), die zum Verlust des Pferdes führen können. Diese Komplikationen sind bei geplanten Eingriffen an gesunden Pferden sehr selten, jedoch ist das Risiko nicht gleich Null. In einer Untersuchung an der hiesigen Klinik aus den Jahren 2006 – 2011 wurden bei Ausschluss der „Hochrisikonarkosen“ 0,3 % tödliche Zwischenfälle bei insgesamt 1989 Pferdenarkosen festgestellt.

Weitere Komplikationen, die bei jeder Narkose/Operation auftreten können sind die sogenannte „Colitis X“ (eine Dickdarmentzündung, die mit einem lebensbedrohlichen Durchfall einhergehen kann) und lebensbedrohliche Lungen- und Brustfellentzündungen. Beide Krankheiten können durch Stresssituationen (z.B. Stallwechsel, Narkose, lange Transporte) begünstigt werden.

Am Auge können vor allem bei stärker vorgeschädigten Augen Linsentrübungen und Netzhautablösungen auftreten. Selten können diese Komplikationen auch bei wenig vorgeschädigten Augen vorkommen. Selten kommt es während oder nach der Operation zu Blutungen, sehr selten auch zu Netzhautablösungen. Bei Blutungen hängt es von der Menge des Blutes ab, ob es in der Folgezeit abgebaut wird, oder in einer zweiten Operation herausgespült werden muss. Eine komplette Netzhautablösung bedeutet die

unwiederbringliche Erblindung des Auges. In Einzelfällen (< 1 von 500 Pferden) kann es nach der Operation zu einer eitrigen Infektion des inneren Auges kommen. In diesen Fällen ist die Sehfähigkeit normalerweise nicht zu erhalten. Im schlimmsten Fall kann es auch erforderlich sein, das betroffene Auge zu entnehmen.

Weitere seltene oder bisher unbekannte Komplikationen können nicht ausgeschlossen werden.